Am 20. Juli 1944 scheiterte das Attentat von Oberst Claus Schenk Graf von Stauffenberg auf Adolf Hitler. Heute, 80 Jahre später, erinnern wir uns an den Mut und die Entschlossenheit der Männer des Widerstands, die versuchten, dem Nazi-Terror ein Ende zu setzen. Doch was wäre, wenn Stauffenberg Erfolg gehabt hätte? Wir wollen uns heute zwei mögliche Szenarien vorstellen – ein positives und ein negatives – und daraus Schlüsse für unseren Umgang mit politischem Aktivismus ziehen.
Szenario 1: Das positive Ende
Angenommen, Stauffenberg hätte Hitler erfolgreich getötet, und das Attentat hätte den geplanten Umsturz in Gang gesetzt. Die Wehrmacht hätte die Kontrolle übernommen und eine provisorische Regierung eingesetzt, die sich aus verschiedenen oppositionellen Kräften zusammensetzte. In dieser Situation wäre es möglich gewesen, die Kriegsanstrengungen der Wehrmacht drastisch zu reduzieren und mit den Alliierten Friedensverhandlungen zu beginnen. Dies hätte möglicherweise eine Teilkapitulation und ein Ende des Krieges in Europa bereits 1944 zur Folge gehabt.
Ein solches Szenario hätte Millionen von Menschenleben gerettet und die Zerstörung zahlreicher europäischer Städte verhindert. Deutschland hätte die Möglichkeit gehabt, sich früher zu demokratisieren und den Wiederaufbau mit internationaler Unterstützung schneller voranzutreiben. Die entstehende politische Landschaft wäre wahrscheinlich eine pluralistische Demokratie geworden, in der die verschiedenen Kräfte der deutschen Gesellschaft an einem neuen Anfang hätten arbeiten können.
Szenario 2: Das negative Ende
Andererseits könnte das Attentat auch in einem Desaster enden. Nach Hitlers Tod hätten fanatische Anhänger, wie Heinrich Himmler oder Joseph Goebbels, die Macht an sich reißen und einen noch brutaleren Polizeistaat etablieren können. Die SS hätte möglicherweise die Wehrmacht bekämpft und einen internen Bürgerkrieg entfacht, was zu noch größerem Leid und Chaos geführt hätte.
Ein solches Machtvakuum hätte die Alliierten dazu veranlasst, ihre Angriffe zu intensivieren, um die totale Zerstörung des deutschen Widerstands zu erzwingen. Die Folge wären verheerende Kämpfe auf deutschem Boden gewesen, die zusätzliche Zerstörung und eine noch längere Phase des Wiederaufbaus zur Folge gehabt hätten. Die politische und gesellschaftliche Spaltung hätte sich vertieft, und der Wiederaufbau Deutschlands wäre unter erheblich schwierigeren Bedingungen erfolgt.
Fazit: Politischer Aktivismus in extremen Zeiten
Die Geschichte kann nicht zurückgedreht werden, doch das Gedankenspiel zeigt uns die verschiedenen Wege, die hätten beschritten werden können. Der Mut und die Entschlossenheit von Stauffenberg und seinen Mitverschwörern erinnern uns daran, dass politischer Aktivismus – auch mit extremen Mitteln – in extremen Zeiten notwendig sein kann.
Stauffenbergs Tat war ein Ausdruck des verzweifelten Versuchs, eine noch größere Katastrophe zu verhindern. Trotz der ungewissen Folgen, die ein erfolgreicher Putsch mit sich gebracht hätte, zeigt die Aktion, dass es Momente gibt, in denen die Anwendung extremer Mittel gerechtfertigt ist.
Der Widerstand gegen eine totalitäre und verbrecherische Regierung ist nicht nur ein Recht, sondern eine Pflicht. Der Jahrestag des Stauffenberg-Attentats dient uns daher als Mahnung und Inspiration, dass der Kampf für Freiheit und Gerechtigkeit auch unter den schwierigsten Umständen nicht aufgegeben werden darf.