Hierbei handelt es sich um die Meinung von Sebastian Kahlcke, sie spiegelt nicht unbedingt die Meinung des Ortsverbands wieder.
Die SPD hat entschieden: Olaf Scholz wird es wieder richten, seiner Umfragewerte zum Trotz – denn die dümpeln im Keller, den Scholz vermutlich als „leicht unebenes Plateau“ beschreiben würde. Auch das mangelnde Vertrauen der Wählerschaft, dass spätestens seit der Ampelkoalition an die Stabilität einer Strohbrücke über einen Wildbach erinnert, rüttelt die Partei nicht wach. Realitätsfern wünscht man sich das Kanzleramt. Für Scholz ein „Heimspiel“, für unsere Partei ein Himmelfahrtskommando. Und Boris Pistorius? Der bleibt, wo er ist – klug genug, um zu wissen, dass ein Kandidaturangebot in der aktuellen Lage weniger nach Chance als nach verbrannter Erde riecht.
Die SPD – zwischen Realitätsverweigerung und Verzweiflung
Man muss es unserer Partei lassen: Wir bleiben unserer Linie treu – der Linie, die geradewegs ins Nirgendwo führt. Während die Grünen sich im Streit über Wärmepumpen zerlegen und die mittlerweile augeschiedene FDP weiter auf ihre „Wir retten das Auto“-Strategie und maximale Kompromisslosigkeit setzt, schaut die SPD zu, wie ihr Rückhalt in der Bevölkerung immer weiter schwindet – ohne eigene Akzente zu setzen. Die Ampel hat die Partei nicht nur geschwächt, sie hat sie regelrecht entkernt. Der sozialdemokratische Markenkern? Verwaschen. Und doch entscheidet man sich, den unbeliebtesten Kanzler, den die SPD je gestellt hat, erneut mit einem „Weiter so“ ins Rennen zu schicken.
Es ist keine Überraschung, dass Pistorius, der beliebteste Minister dieser Regierung, nicht antritt. Ihn jetzt zu verheizen, wäre taktisch nicht nur dumm, sondern schlichtweg fahrlässig. Wer weiß, vielleicht hebt man ihn sich für eine Zeit auf, in der die SPD nicht bloß als Zuspieler auf dem Koalitionsfeld wahrgenommen wird. Aktuell aber erscheint die Kanzlerschaft von Friedrich Merz so unausweichlich wie der nächste Steuerbescheid. Die SPD? Leider zunehmend irrelevant, ein Beobachter am Spielfeldrand, der ab und zu klatscht – oder verzweifelt die Pfeife bläst.
Aber was spielt das alles für eine Rolle?
Hier drängt sich jedoch eine Frage auf: Ist es überhaupt wichtig, wer im Kanzleramt sitzt? Aus meiner Perspektive in der Kommunalpolitik lautet die ehrliche Antwort: nur bedingt. Die großen Versprechen, mit denen Regierungen ins Amt kommen, lösen sich oft in Luft auf, sobald die nächste Koalition übernimmt. Was heute beschlossen wird, ist morgen schon Makulatur. Kontinuität? Fehlanzeige. Langfristige Projekte scheitern nicht selten an kurzfristigem politischen Kalkül. Ein Regierungswechsel bringt selten den grundlegenden Wandel, den er zu versprechen vorgibt. Es ist ein ewiger Kreislauf aus Verkündung, Rücknahme und Umgestaltung von bestehenden Strukturen.
Auf kommunaler Ebene zeigt sich hingegen eine andere Realität. Hier, im direkten Kontakt mit den Menschen, geht es um ganz andere Dinge. Es geht um Straßen, um Schulen, um die Müllabfuhr – um das, was das Leben der Menschen tatsächlich betrifft. Doch auch hier stoßen wir auf ein fundamentales Problem: Bürokratie. Ein neuer Spielplatz? Drei Jahre Planung. Ein Radweg? Fünf Jahre Diskussion. Der Ausbau einer Kindertagesstätte? Ein Jahrzehnt, wenn wir Glück haben. In der Kommunalpolitik erleben wir hautnah, wie zäh Veränderung ist, selbst bei scheinbar trivialen Projekten.
Zeit für eine neue Basisarbeit
Wenn die SPD auf Bundesebene überhaupt eine Chance haben will, muss sie endlich begreifen, dass Politik nicht in Hochglanzbroschüren oder durch abgehobene „große Würfe“ funktioniert, sondern im direkten Kontakt mit den Menschen. Man kann sich nicht in seinem Schneckenhaus verkriechen und nur zur nächsten Bundestagswahl aus seinem Haus kommen. Die Parteibasis – oft Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker – sollte sich nicht nur als Anhängsel der großen Bühne verstehen, sondern als Rückgrat der Partei. Statt die Sahnestückchen zu picken, wie etwa Prestigeprojekte oder symbolische Initiativen, sollte sie sich auf die harten, mühsamen Aufgaben konzentrieren, die echte Lebensrealität betreffen.
Die Kommunalpolitik zeigt, dass es oft weniger um Ideologie geht als um praktische Lösungen. Hier wird nicht rigoros jeder Vorschlag aus der Opposition abgelehnt – in der Regel arbeitet man Hand in Hand – überparteilich. Bürgerinnen und Bürger wollen keine Programme lesen, sondern funktionierende Busverbindungen, bezahlbaren Wohnraum und sichere Schulwege. Die SPD könnte hier anknüpfen und aus den kleinen Erfolgen im Lokalen wieder ein gesamtdeutsches Profil formen – eines, das nicht von Wahl zu Wahl fadenscheinige Hoffnungen verkauft, sondern Verlässlichkeit ausstrahlt.
Ein Plädoyer für Kommunalpolitik
Es mag zynisch klingen so etwas als SPD-Mitglied zu sagen, aber vielleicht ist es gar nicht so entscheidend, ob Olaf Scholz, Friedrich Merz oder ein beliebiger anderer Politiker die Regierung führt. Solange das politische System von Kurzfristigkeit und Kompromissen dominiert wird, bleibt nachhaltiger Fortschritt ein frommer Wunsch. Doch die SPD hat noch einen Hebel: ihre Basis. Gerade jetzt, wo die Bundespolitik einem sinkenden Schiff gleicht, könnte die Arbeit vor Ort neue Glaubwürdigkeit schaffen – und langfristig auch wieder Wahlen gewinnen.
Es wäre die Rückkehr zu den Wurzeln einer Volkspartei: nicht nur nach Berlin zu schielen, sondern in den Gemeinden, den Landkreisen und den Städten präsent zu sein. Olaf Scholz mag vielleicht den Kopf der Partei repräsentieren, aber das Herz schlägt vor Ort. Es ist an der Zeit, wieder darauf zu hören.